Vegan wie Du und ich: Katrin #9
Katrin ist die Neunte in der Runde, die ich interviewen durfte:
Seit wann lebst Du vegan und was war der Auslöser dafür ? Gab es einen Schlüsselmoment oder war es eine Vielzahl von Gründen, die Dich zu diesem Entschluss bewegt haben?
Ich hatte als Jugendliche, etwa mit 12 schon mal eine Phase, in der ich kein Fleisch essen wollte. Ich kann mich heute nicht mehr an den genauen Grund erinnern, wahrscheinlich war es einfach die jugendliche Ablehnung gegen das Normale. Damals konnte ich mein Vorhaben aber nicht umsetzen. Irgendwo im Essen war immer Fleisch drin, aber im Nachhinein muss ich zugeben, dass der Wille nicht wirklich da war.
Jetzt ernähre ich mich seit September 2010 vegan. Der Übergang von der omnivoren bis hin zur veganen Ernährung war fließend und hat nur wenige Tage gedauert. Auslöser war mein Freund Daniel, der sich vor mir mit dem ethischen Aspekt auseinandersetzte. Erst fand ich es übertrieben, da wir zu diesem Zeitpunkt ca. 2-3x pro Monat Fleisch und 1-2x pro Monat Fisch aßen, also wirklich selten. Der “Verzicht” auf Fleisch war aufgrund meines geringen Konsums sehr einfach. Keine Milchprodukte mehr zu essen schon schwieriger. Ein Großteil meiner Ernährung bestand damals aus Milch, Magerquark, Käse und Buttermilch.
Ich fing ebenfalls an mich mit dem Thema auseinander zu setzen und las “Tiere essen”, besser: ich verschlang es. Bereits nach der Einführung war mir klar, dass ich kein Fleisch mehr essen könnte, und zwei Kapitel später war mir auch der Appetit auf Eier und Milchprodukte vergangen.
Heute kann ich gar nicht verstehen, warum ich so lange für diesen Schritt gebraucht habe. Ich habe Ernährungswissenschaften studiert und die Praktiken in der Massentierhaltung wie das Kupieren der Schwänze und Schnäbel und das Kastrieren der männlichen Ferkel wurde von den Dozenten als völlig normal hingestellt, und leider habe ich es nie hinterfragt.
Der Schritt zum “veganen Leben” hat noch ein paar Monate länger gedauert, denn ich habe noch eine Zeitlang nicht-vegane Kosmetika und in der Anfangsphase noch ein Paar Lederschuhe gekauft. Mir haben einfach die Alternativen gefehlt. Damit ist aber schon lange Schluss. Positiver Nebeneffekt: ich konsumiere insgesamt weniger!
Hast du durch die Umstellung eine Veränderung in Dir bemerkt? Auf welchen Ebenen hat sich diese abgespielt?
Seit ich mich vegan ernähre kenne ich kein Mittagstief mehr. Wenn ich meinen Teller mit dem meiner Kollegen vergleiche esse ich doch mehr als die Meisten. Trotzdem fühle ich mich nach der Pause nicht mehr so müde wie früher. Und auch schwere Beine nach langen Läufen kenne ich kaum noch. Ob das aber an fehlenden tierischen Lebensmitteln oder einfach an meinem gestiegenen Konsum von Obst und Gemüse, an meiner besseren Lebensmittelauswahl oder einfach daran liegt, dass ich nach harten intensiven Trainingseinheiten schnell etwas Kohlenhydrat- und Proteinreiches zu mir nehme weiß ich nicht.
Außerdem esse ich bewusster, gebe mehr Geld für Lebensmittel aus (weil ich andere Lebensmittel einkaufe, und nicht weil vegan teurer ist!) und achte noch mehr darauf, dass Lebensmittel bei mir zu Hause nicht schlecht werden.
Wie hat Dein Umfeld auf Deine Umstellung reagiert?
Ideal war natürlich, dass Daniel und ich diese Umstellung praktisch zeitgleich durchgemacht haben. Mein Umfeld hielt das erst einmal für eine Phase, die irgendwann wieder vorbei ist. Mittlerweile ist aber allen klar, dass das keine vorübergehende Erscheinung ist. Mir ist keine Ablehnung begegnet, aber meine Entscheidung wurde häufig kritisch hinterfragt. Und natürlich gab es Bedenken, ob mir denn nichts fehlen würde. Darauf gibt es von mir mittlerweile die Rückfrage, ob ich denn so aussehen würde als ob mir etwas fehlen würde. Alternativ argumentiere ich mit dem Sport: sollte mir wirklich etwas fehlen – könnte ich dann bis zu 80 Kilometer die Woche laufen, und allein im vergangenen Jahr 4 Marathons? Wahrscheinlich nicht.
Seit der Veganismus und die vegane Küche auch die Massenmedien erreicht hat gibt es verstärkt interessierte Fragen, ob ich denn schon dies kennen würde oder jenes schon mal probiert hätte. Das zeigt mir, dass ich anscheinend positiv mit dem Thema umgegangen bin und mein Umfeld nicht verschreckt habe.
Hast du Tipps für alle Neulinge, die auch vegan leben wollen?
Lass am Anfang nicht einfach Fleisch & Milchprodukte weg, sondern schau dir an, wo bisher dein Schwerpunkt bei deiner Ernährung gelegen hat und recherchiere, wie du die enthaltenen Nährstoffe ohne tierische Lebensmittel bekommst. Aber: von ein oder zwei Wochen einer neuen Ernährungsweise bekommt niemand einen Mangel an Eisen, Eiweiß oder auch nicht an Vitamin B12.
Lerne auf deinen Körper zu hören – der sagt dir nämlich, was du brauchst. Leider haben viele verlernt, auf den eigenen Körper zu hören.
Gib dir Zeit – der Schritt zum Veganismus ist meist eine Entwicklung. Und die läuft nicht innerhalb von einer Woche ab. Das ist auch nicht schlimm. Immerhin hast du in der Regel viele Jahre tierische Produkte gegessen, sie gehören zu deiner Kultur. Es ist nur selten möglich, innerhalb von wenigen Tagen das Gelernte und Gelebte über den Haufen zu werfen. Ist die Entscheidung, keine tierischen Produkte mehr zu kaufen, zu essen und zu konsumieren erst einmal gefallen, ist ein wichtiger Schritt gemacht.
Lass vor deiner Umstellung dein Blut untersuchen. Nicht weil ich denke, dass ein Mangel vorprogrammiert ist, aber ein Vorher-Nachher-Vergleich kann interessant sein – und dir zukünftig einige Diskussionen ersparen. Ich ärgere mich, dass ich das damals nicht noch gemacht habe.
Welche veganen Gerichte kochst Du regelmäßig? Kochst Du mit Kochbüchern oder eher „freestyle“?
Sowohl als auch. Die meisten Inspirationen hole ich mir aus dem Internet, aber einige Kochbücher stehen natürlich auch bei uns im Regal. Oft werden die Gerichte nach einigen Malen abgewandelt, verfeinert, verbessert, auf unsere Bedürfnisse angepasst. Ich esse gerne alles was irgendwie mit Kichererbsen zu tun, Tempeh, rote Linsen, Soßen mit Tahini oder Misopaste, Pasta aus Maismehl, scharfe Thai-Curries mit Kokosmilch und Zitronengras, gefüllte Wraps, selbstgemachtes Pesto, Spinat, Brokkoli und vieles mehr. Gekocht wird so abwechslungsreich und saisonal wie möglich, auch wenn ich in puncto Saisonalität noch viel lernen kann.
Was war Dein schönstes/seltsamstes/witzigstes Erlebnis in Bezug auf Deine vegane Ernährungs-/Lebensweise?
Spontan fällt mir etwas aus unserem USA-Urlaub ein: Wir waren vor einigen Wochen in New York und wollten uns mittags an einem Falaffel-Stand ein Falaffelsandwich holen. Die Aufschrift “100% vegetarian” hat uns trotz der langen Schlange angezogen. Als wir an der Reihe waren bestellte Daniel zwei Falaffelsandwiches ohne Joghurtsoße. Der Betreiber der Bude guckte uns an und sagte “No joghurt, only tahinidressing, everything 100% animal free”. Wir waren so begeistert, das Falaffelsandwich war das beste meines Lebens und mit 4 Dollar auch mit Abstand das günstigste Essen in New York.
Wenn Du jemanden vegan bekochen könntest, wer wäre diese Person (gewesen) und was würdest Du für sie kochen?
Mir fällt keine bestimmte Person ein, und auch kein bestimmtes Essen. Vielleicht würde ich generell mal den omnivoren Personen etwas kochen, die immer meinen vegan würde nicht schmecken, wäre langweilig und eintönig. Was es dann geben würde? Das müsste ich spontan entscheiden. Als Nachtisch aber bestimmt irgendwas mit Schokolade.
Du bist auf einer einsamen Insel gestrandet – welche 3 veganen Lebensmittel möchtest Du auf keinen Fall missen?
Frisches, gekühltes Kokoswasser, Mangos und Pitayas (auch Drachenfrucht genannt).
Gibt es irgendetwas, was Dir noch auf dem Herzen liegt und was Du den Lesern des Blogs, egal ob vegan, vegetarisch oder omnivor, mitteilen willst?
Such dir bei deinem Vorhaben Gleichgesinnte. Das motiviert enorm. Wenn du sie in deinem näheren Umfeld nicht findest, dann bestimmt in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Google+. Insbesondere seit wir unseren Blog beVegt schreiben habe ich viele Leute “in echt” kennen gelernt, die ich erst nur “online” kannte, und bin bisher nur auf sehr nette Menschen getroffen. Ich hatte nie den Eindruck, dass man sich fremd sei, weil gleiche Interessen von Anfang an vorhanden waren. Ein tolles Gefühl!
Außerdem möchte ich mich natürlich bei dir, liebe Dominique, bedanken, dass du auch an mich gedacht hast! Schöne Serie mit interessanten Menschen, die du ins Leben gerufen hast!
Sehr gerne! 🙂
Aber DIR auch nochmal vielen Dank, liebe Katrin, dass Du mitgemacht hast! 🙂
Ich schreibe darüber, wie man sich gesund und lecker vegan ernährt, sein Leben und seine Gesundheit grüner gestalten und was man tun kann, um glücklicher zu werden. Ich würde mich freuen, wenn ich Dich mit meinen Beiträgen inspirieren kann!
Huhu!
ich möchte an der Stelle mal danke sagen, für die tolle Interwiev-Reihe.
Ich hab bisher alles mit Begeisterung gelesen, und finde es so toll, mehr über jeden einzelnen zu erfahren…
Einfach spitze!
Grüßle, Jessi
Liebe Jessi!
Vielen, vielen Dank für das Kompliment! Das freut mich sehr, dass Dir die Interviewreihe so gefällt! 🙂
Da es insgesamt eine sehr gute Resonanz darauf gab, werde ich sie auch als festen Bestandteil auf meinem Blog behalten! Somit werden in Zukunft in regelmäßigen Abständen auch noch ganz viele, interessante Interviews folgen! 🙂
Viele Grüße,
Greensoul
Dem würde ich mich gerne anschließen. Ich finde die Reihe richtig super und vor allem dieses Interview mit Katrin fand ich sehr inspirierend. Ich lebe erst seit kurzem Vegan und konnte noch so einiges aus diesem Interview lernen. Vielen dank dafür.
Kleiner Tipp: Ich kann dir und deinen Lesern wirklich nur sehr diesen kleinen Bericht von DW empfehlen. In dem geht es um einen Top-Manager der eine 180° Lebenswandlung vollzogen hat und einen Veganen Shop in Berlin gegründet hat. Fine ich total super 🙂
Viele Grüße
Sabine
Liebe Sabine,
vielen Dank für das Kompliment! Es freut mich wirklich sehr, dass die Reihe so gut ankommt! Und deswegen wird sie weitergehen! 🙂
Danke auch für den Link, das Video kannte ich noch nicht. Jan habe ich mal bei einem Besuch in Berlin persönlich kennengelernt. Ich finde seine Idee vom Veganz sehr gut, vor allem, um
das ganze Thema noch mehr in die breite Öffentlichkeit zu bringen. Allerdings gab es dort nicht wenige, relativ teure (Fertig-)Produkte, die ich persönlich jetzt nicht zwingend brauche.
Aber in jedem Falle ist es super, dass er mit seinen Supermärkten noch weiter expandieren will, denn das zeigt ja auch, dass Interesse und eine Nachfrage, nicht nur in
Berlin (!), vorhanden sind!!
Viele Grüße,
Greensoul